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Was ist ein Pflichtteil?
Der Begriff „Pflichtteil“ beziehungsweise „Pflichtteilsanspruch“ kommt im Erbrecht dann zum Tragen, wenn der Erblasser ein Testament verfasst und darin bestimmte Personen enterbt hat. Auch wenn der Erblasser grundsätzlich frei darüber entscheiden darf, wem er was vererbt, setzt das Gesetz dieser Testierfreiheit Grenzen. Mit dem Pflichtteilsrecht wird ein Ausgleich zwischen der freien Testiermöglichkeit und dem Schutz enger Angehöriger geschaffen.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Der Pflichtteilsanspruch steht nur bestimmten nahen Angehörigen zu – insbesondere:
- Kindern des Erblassers (auch Adoptiv- und nichteheliche Kinder)
- Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern
- Eltern des Erblassers (nur, wenn keine Nachkommen vorhanden sind)
Ein Pflichtteilsanspruch besteht nur dann, wenn der Berechtigte auch nach der gesetzlichen Erbfolge Erbe geworden wäre. Geschwister des Erblassers gehören zum Beispiel nicht zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Anspruch ist immer in Geld zu erfüllen, nicht in Sachwerten oder Erbgegenständen. Für die Berechnung des Pflichtteilswerts ist der Nachlasswert am Tag des Erbfalls maßgeblich. Dabei zählen neben dem Vermögen auch die Verbindlichkeiten (z. B. Schulden oder Beerdigungskosten).
Formel: Pflichtteilsquote × Nachlasswert = Pflichtteilsanspruch
Beispiel:
Hätte der enterbte Sohn nach gesetzlicher Erbfolge 1/2 des Nachlasses erhalten, steht ihm als Pflichtteil 1/4 (also die Hälfte davon) in Geld zu.
Pflichtteilsergänzungsanspruch – bei Schenkungen vor dem Tod
Manche Erblasser versuchen, Pflichtteilsansprüche zu umgehen, indem sie schon zu Lebzeiten größere Vermögensteile verschenken. Das Gesetz sieht hier jedoch vor, dass solche Schenkungen in den Nachlass fiktiv eingerechnet werden können – zumindest teilweise. In diesem Fall spricht man vom Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Die Ergänzung wird gestaffelt: Schenkungen, die mehr als 10 Jahre zurückliegen, bleiben in der Regel unberücksichtigt. Bei Ehepartnern beginnt diese Frist erst mit dem Ende der Ehe.
Muss der Pflichtteil eingefordert werden?
Der Pflichtteil muss aktiv geltend gemacht werden. Eine automatische Auszahlung erfolgt nicht. Lehnt der Erbe die Zahlung ab, bleibt dem Pflichtteilsberechtigten nur der gerichtliche Weg, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Wichtig:
Pflichtteilsberechtigte haben das Recht auf:
- Auskunft über den Nachlass gegenüber dem Erben
- Ein Nachlassverzeichnis – auf Wunsch erstellt durch einen Notar
- eidesstattliche Versicherung, wenn Zweifel an der Vollständigkeit des Verzeichnisses bestehen
Um die Höhe des Pflichtteils zu belegen, kann der Berechtigte zudem Sachverständige zur Bewertung einzelner Nachlassgegenstände beauftragen. Die Kosten hierfür gehören zum Nachlass und mindern dessen Wert.
Vorausempfang und Anrechnung
Hat der Pflichtteilsberechtigte bereits zu Lebzeiten des Erblassers Vermögenszuwendungen erhalten, kann dies als sogenannter Vorausempfang auf den Pflichtteil angerechnet werden – sofern dies ausdrücklich vereinbart wurde oder die Umstände dies nahelegen.
Ein typischer Fall ist die „Ausstattung“ im Sinne von Unterstützung für Hochzeit, Ausbildung oder Existenzgründung. Besonders bei mehreren Kindern, die unterschiedlich bedacht wurden, kann es hier zu Differenzen kommen.
Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
Der Anspruch verjährt nach drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Erbfall eintritt und der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Tod und der enterbenden Verfügung (z. B. Testament) erhält.
Beispiel: Stirbt der Erblasser am 01.06.2025 und erfährt der Sohn am 15.09.2025 von seinem Enterbtsein, beginnt die Verjährung am 31.12.2025. Der Anspruch verjährt also am 31.12.2028.
Ausschlussgründe für den Pflichtteil:
- Verzicht auf den Pflichtteil durch Vertrag
- rechtmäßige Erbausschlagung
- Erbunwürdigkeit (z. B. durch schwere Verfehlungen wie Mord am Erblasser)
Güterstand und Pflichtteil – Einfluss bei Ehegatten
Der Güterstand, in dem Ehegatten leben, beeinflusst die Höhe des Pflichtteilsanspruchs:
- Zugewinngemeinschaft (gesetzlicher Regelfall): Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöht sich pauschal um ein Viertel (Zugewinnausgleich). Dies beeinflusst auch den Pflichtteil.
- Gütergemeinschaft: Es gilt die allgemeine Pflichtteilsquote (Hälfte des gesetzlichen Erbteils).
- Gütertrennung: Die Höhe des Erbteils (und damit des Pflichtteils) richtet sich nach der Anzahl der miterbberechtigten Kinder.
Fazit
Das Pflichtteilsrecht sorgt für einen geregelten Ausgleich zwischen dem letzten Willen des Erblassers und den Rechten naher Angehöriger. Es garantiert bestimmten Personen eine Mindestbeteiligung am Nachlass – selbst im Falle einer Enterbung.
Wer seinen Pflichtteil geltend machen möchte, sollte sich frühzeitig über seine Rechte informieren, Auskunft verlangen und gegebenenfalls anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen – insbesondere dann, wenn der Erbe nicht kooperativ ist.