Was passiert mit meinem Kind, wenn ich nicht mehr da bin? Viele Eltern behinderter Kinder stellen sich diese Frage immer wieder. Kann ein behindertes Kind erben? Ist es überhaupt erbberechtigt – und wie kann das zu vererbende Vermögen vor dem Zugriff des Staats geschützt werden? Wann immer solche Fragen aufkommen, ist es eine gute Idee, einen Anwalt oder Notar aufzusuchen und ein sogenanntes Behindertentestament aufsetzen zu lassen.
Mit einem Behindertentestament kann das Vermögen, das die Eltern einem behinderten Kind hinterlassen, vor dem Zugriff des Staats geschützt werden. In einem solchen Testament wird das Erbrecht so geregelt, dass der behinderte Erbe nicht auf staatliche Unterstützungen – zum Beispiel vom Sozialamt – verzichten muss. In vielen Fällen sind die Pflegekosten für ein behindertes Kind so hoch, dass der Staat mit sozialen Leistungen einspringt. Wenn der künftige Erbe jedoch ein eigenes Vermögen besitzt, entfallen diese Unterstützungen, und bereits geleistete Sozialhilfen müssen gegebenenfalls an den Sozialhilfeträger zurückgezahlt werden. Um das zu verhindern, kann ein Behindertentestament erstellt werden.

Das Bundessozialgesetz sieht vor, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung ab dem 18. Lebensjahr einen eigenen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Dazu gehören unter anderem die Grundsicherung bei Erwerbsminderung, Pflegeleistungen oder auch Eingliederungshilfen. Das gilt ebenso für Menschen mit körperlicher Behinderung, die aufgrund ihrer Einschränkungen nicht arbeiten können. Auch sie haben Anspruch auf staatliche Unterstützung.
Hat ein behinderter Mensch jedoch eigenes Einkommen oder Vermögen – zum Beispiel durch eine Erbschaft –, muss dieses zunächst für den eigenen Lebensunterhalt verwendet werden. Staatliche Leistungen entfallen in diesem Fall. Viele Eltern möchten jedoch sicherstellen, dass ihr Kind auch nach ihrem Tod finanziell abgesichert ist und nicht auf Sozialleistungen verzichten muss. Deshalb entscheiden sie sich für ein Behindertentestament.
Was genau ist ein Behindertentestament?
In der Regel setzen sich Ehepaare in einem Testament gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tod eines Ehepartners erhält der überlebende Partner das gesamte Vermögen. Die Kinder sind dann zunächst enterbt und erhalten lediglich den Pflichtteil. Beim Behindertentestament ist die Konstellation etwas anders: Auch hier setzen sich die Eltern gegenseitig als Alleinerben ein – zusätzlich wird das behinderte Kind jedoch als sogenannter beschränkter Vorerbe eingesetzt.
Dabei ist es wichtig, dass der Erbteil des behinderten Kindes nur knapp über dem Pflichtteil liegt. Gibt es ein weiteres, nicht behindertes Kind, kann dieses ein Vermächtnis erhalten. Um sicherzustellen, dass das behinderte Kind tatsächlich von seinem Erbteil profitiert, wird ein Testamentsvollstrecker eingesetzt. In vielen Fällen übernimmt ein nicht behindertes Geschwisterkind diese Aufgabe – möglich ist aber auch die Benennung eines anderen Verwandten oder eines Anwalts.
Ein Beispiel
Ein Rentnerehepaar hat zwei Kinder. Das ältere Kind ist behindert und lebt in einem Heim, dessen Kosten vom Sozialamt getragen werden. Das einzige Vermögen des Ehepaares ist ein gemeinsam bewohntes Haus. Immer öfter stellen sich die Eltern die Frage, was mit ihrem Kind und dem Haus passiert, wenn sie einmal nicht mehr da sind. Sie überlegen, ob sie ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen sollen, und wenden sich an einen Anwalt.
- Der Anwalt erklärt: Stirbt ein Elternteil, erbt der überlebende Partner die Hälfte. Die beiden Kinder erhalten je ein Viertel. Der Anteil des behinderten Kindes müsste verwertet werden – also möglicherweise durch Verkauf des Hauses –, um Heimkosten zu decken. Das wollen die Eltern verhindern.
- Eine vollständige Enterbung wäre ebenfalls problematisch, da das Sozialamt dann den Pflichtteil einfordern könnte.
- Der Anwalt empfiehlt daher ein Behindertentestament in Form eines Erbvertrags: Das behinderte Kind wird Vorerbe mit einem Erbanteil knapp über dem Pflichtteil, das nicht behinderte Kind wird Nacherbe und Testamentsvollstrecker.
- Die Eltern lassen das Testament notariell beurkunden – das ist bei Erbverträgen gesetzlich vorgeschrieben und sorgt für Rechtsklarheit, besonders bei eventuellen Klagen durch das Sozialamt. Ein handschriftliches Testament wäre in diesem Fall nicht ausreichend.
Wichtig: Auch das Behindertentestament bietet keine absolute Rechtssicherheit – Gesetzesänderungen sind jederzeit möglich.
Wer dennoch sicherstellen möchte, dass ein behindertes Kind auch nach dem Tod der Eltern bestmöglich abgesichert ist, sollte unbedingt einen Notar aufsuchen. Nur so lässt sich das Erbe zuverlässig vor dem Zugriff des Staates schützen.
Die Vor- und Nachteile eines Behindertentestaments
Ein Behindertentestament dient dazu, das behinderte Kind finanziell abzusichern – insbesondere, wenn es dauerhaft auf staatliche Leistungen angewiesen ist. Entscheidend ist nicht nur die Art der Behinderung, sondern vor allem die Frage, ob der Betroffene seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.
Besonderheit: Das Behindertentestament beinhaltet in der Regel eine Kombination aus Vorerbschaft, Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung. Das bedeutet: Der behinderte Erbe besitzt zwar ein Vermögen, darf jedoch nicht selbst darüber verfügen. Bei schwer geistig behinderten Personen ist dies in der Praxis meist unproblematisch. Bei körperlich Behinderten mit geistiger Klarheit hingegen kann dies als benachteiligend empfunden werden – insbesondere dann, wenn nicht behinderte Geschwister das Erbe uneingeschränkt nutzen dürfen.
Wird kein Behindertentestament erstellt, fließt das geerbte Vermögen in das Privatvermögen des Kindes und muss zur Deckung des Lebensunterhalts sowie zur Rückzahlung von Sozialleistungen verwendet werden.
Vorteil des Behindertentestaments: Durch die Testamentsvollstreckung wird das Erbe nicht dem Privatvermögen zugerechnet – der Anspruch auf staatliche Unterstützung bleibt bestehen.
Mehr Informationen finden Sie auf der Website des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen: www.bvkm.de